Halbwissen zu den Gebetszeiten: Abu Mikail's falsche Aussagen zum Fadschr (12 Grad)

Der erste Gast in der Reihe "Halbwissen zu den Gebetszeiten" ist Abu Mikail al-Kamili, und er wurde ausgewählt, da sein Video als erstes unter dem Suchbegriff "Gebetszeiten" erscheint.

Also heiße ich dich willkommen, Abu Mikail. Heute ist der Tag, an dem ich deine Worte mal etwas genauer unter die Lupe nehme. Ich werde nicht jene Punkte behandeln, die du möglicherweise falsch ausgedrückt hast und eventuell ganz anders gemeint hast. Hier geht es um die Fehler, die nicht mehr entschuldbar sind. Dazu zählt deine Empfehlung zur "französischen Methode" oder der nautischen Dämmerung und deine Abweichung von den Fatwas der Gelehrten und Astronomen der letzten 1000 Jahre.

Kommen wir zur ersten Antwort in diesem ungewollten Interview mit deinem YouTube-Video: Die empirischen Beobachtungen

Ich finde es wirklich lobenswert, dass du dir die Mühe gemacht hast, empirische Beobachtungen durchzuführen. Die meisten Menschen würden sich schon nach der ersten Sichtung festlegen. Somit glaube ich, dass du wirklich versucht hast, zu einem richtigen Ergebnis zu kommen. Leider sind jedoch die Daten deiner empirischen Forschung nicht verwendbar, da sie unter dem Einfluss starker Lichtverschmutzung in Europa stattgefunden haben. Es war nicht grundlos, warum der Mufti, Scheich Abdul Aziz Aal asch-Scheich berichtete, dass Scheich Ibn Baz aufgrund solcher Behauptungen mehrmals Expeditionen tief in die Wüste schickte, um die Zeiten zu prüfen. Jedes Mal zurückkehrend mit der Bestätigung der Gebetszeiten. Und es war auch nicht grundlos, dass die Sultane des osmanischen Reiches Expeditionen aussandten, um die Zeiten zu beobachten. Und Scheich Utheimin sagte passend dazu: "Das Problem heutzutage liegt darin, dass die Bewohner der Städte und Dörfer, in denen elektrische Lichter vorhanden sind, nicht in der Lage sind, die Dämmerung des Fadschr von Beginn an zu beobachten, dies wird durch das Vorhandensein von Lichtern bedingt."

Kommen wir zur nächsten Antwort: Die Nautische Dämmerung (12 Grad)

Da es keinen muslimischen Astronomen in der islamischen Geschichte gab, der eine Zeit um die nautische Dämmerung dem Fadschr gleichgesetzt hätte, so kann man hier nur versuchen, auf die Erklärungen der Wissenschaft zurückzugreifen, welche die nautische Dämmerung definiert. Die Dämmerung ist das durch die Sonne gestreute Licht, welches am Horizont sichtbar ist. Je tiefer der Winkel der Sonne, desto weniger Licht ist noch sichtbar. So schreibt Rosenberg in seinem Buch "Die Dämmerung - Studie zur atmosphärischen Optik": "Wenn die Sonne 10-15 Grad unter dem Horizont erreicht, wird das spezifische Leuchten der oberen Atmosphäre zusammen mit dem Sternenlicht sichtbar. Der Übergang zur Nacht ist gewöhnlich abgeschlossen, wenn die Sonne 17-19 Grad erreicht." Und weiter schrieb er: "... die nautische Dämmerung, in welcher kleine Details in der Dunkelheit verschwinden, aber die Umrisse großer Objekte wie Küstenlinien noch gut sichtbar sind." Und weiter schreibt er: "Der mehrfarbige Schein am Ort des Sonnenuntergangs verschwindet... bis er mit dem Beginn der astronomischen Dämmerung zu einem schmalen, grünlichen und weißen Band wird. Mit dem Ende der astronomischen Dämmerung (18 Grad) ist auch dieses schmale Band verschwunden - die Nacht ist eingebrochen." Somit sehen wir jetzt, dass es noch Licht nach der nautischen Dämmerung gibt. Und wer bereits Anstrengungen unternommen hat und an weniger besiedelte Orte in Deutschland den Himmel beobachtet hat, der wird auch trotz Lichtverschmutzung noch eine Dämmerung bei 15-16 Grad erkennen können.

Die Antwort auf die Aussage: Der Fadschr und Ischaa beginnen mit der nautischen Dämmerung

Du sagst anfangs, der Fadschr tritt ein, wenn die weiße Dämmerung beginnt, und der Ischaa tritt ein, wenn die rote Abenddämmerung verschwunden ist. In diesem Punkt würden dir die meisten zustimmen. Dann sagst du aber später, der Fadschr sei die nautische Morgendämmerung und der Ischaa die nautische Abenddämmerung. Und auch die Korrektur im Video auf "Beginn" der nautischen Dämmerung machen das Problem nur schlimmer. Also hättest du es besser nicht korrigieren sollen. Denke bitte einen Augenblick nach. Wie kann denn der gleiche Winkel von 12 Grad zwei unterschiedliche Phänomene beschreiben? Also entweder ist bei 12 Grad das rote Licht verschwunden, oder sämtliches Licht ist verschwunden. Ob diese 12 Grad den Morgenhimmel oder den Abend beschreiben, macht hier keinen Unterschied. Wenn also der Fadschr der Punkt ist, an welchem das erste Licht die Nachtschwärze bricht, und der Ischaa der Punkt, an welchem das rote Licht verschwindet und nur noch weißes Licht sichtbar ist, so muss der Winkel des Fadschr auch größer sein als der von Ischaa. Somit ergeben diese Behauptungen gar keinen Sinn.

Die Antwort auf die "französische Methode"

Leider hast du dich nie darüber informiert, was die französische Methode ist, und hast einfach auf Hörensagen das weitergegeben, was du gehört hast. Die Herausgeber der französischen Methode haben den Fadschr nach 18 Grad bestätigt. Sie sind jedoch zur Meinung gekommen, dass es islamisch vertretbar ist, die Gebetszeit ganzjährig auf 12 Grad herabzusetzen, um den Muslimen eine Erleichterung zu schaffen. Ja, richtig. Sie wissen, dass der Fadschr bei 18 Grad liegt. Somit sollten wir die "französische Methode" im Zusammenhang mit der nautischen Dämmerung endlich mal begraben. Da sind wir jetzt sicherlich der gleichen Meinung.

Warum kritisierst du die Muslime, welche der Fatwa der Großgelehrten mit 18 Grad folgen?

Woher hast du dir das Recht genommen, in dieser gewaltigen Angelegenheit Fatwas zu erteilen? Denn das, was du tust, ist genau das: Das Erteilen von Fatwa ohne Wissen in dieser Angelegenheit zu haben. Somit warst du eine der Personen, die die Muslime dazu aufgerufen haben, bis 12 Grad zu essen, wobei der Fadschr bei ca. 18 Grad eintrifft. Und wir reden hier nicht von wenigen Minuten, sondern von bis zu einer Stunde. Wie möchtest du das Beispiel mit dem abgefahrenen Zug jetzt deinen Followern erklären? Kann man jetzt trotzdem noch auf den abgefahrenen Zug aufspringen, wenn man im Ramadan noch eine Stunde nach dem Fadschr gegessen hat? So hast du es auf dich geladen, diese Verantwortung vor Allah zu übernehmen. Und es wäre besser gewesen, zu den Gelehrten zurückzukehren und nicht über die Themen zu sprechen, die du nicht verstehst.

Und damit schließe ich ab mit folgendem Zitat:

In seinem Buch „Der echte Fadschr (Morgendämmerung)- zwischen der Festlegung im Quran und der sprachlichen Verwendung“ (das Vorwort wurde von den beiden Großgelehrten Sheikh Salih Al-Fawzan und Sheikh Abdul Aziz Al-Sheikh verfasst) schrieb der Autor Ustadh Doktor Ibrahim Bin Muhammed Al-Sabeheeh:

„Wenn nun eine Person oder ein Imam kommt und sagt: „Die Leute beten zu früh!“ und eine andere Person sagt (zu ihnen): „Betet nicht!“ und eine weitere Gruppe sagt: „Wiederholt das Gebet oder euer Gebet ist ungültig!“, dann handelt es sich dabei um ein Säen von Zweifeln in einer der gottesdienstlichen Handlungen. Dies ist nicht erlaubt, außer basierend auf einer Fatwa (islamischen Rechtsgutachten) durch die höchste Instanz der islamischen Rechtsgebung in diesem Land. Dies ist dadurch bedingt, dass diese Angelegenheit in Zusammenhang mit der gewaltigsten gottesdienstlichen Handlung steht und es obliegt keiner Person sich in diese Angelegenheiten basierend auf seiner Ansicht einzumischen. Die Menschen sind sich nicht befähigt über die astronomischen und rechnerischen Fragestellungen zu urteilen, sowie was im Zusammenhang mit den Gebetszeiten und deren Berechnung steht, unabhängig davon ob es um die Sichtung oder die Berechnung geht. Dementsprechend gebührt es diese Angelegenheit den Spezialisten zu überlassen, so bleibt die Angelegenheit in ihrer ursprünglichen Form und es ist nicht erlaubt ihr hinsichtlich Zweifel zu verbreiten.“